Der Künstler Ingo Nussbaumer erzählt von den Weggabeln, die ihn zur Malerei geführt haben und von seinem inneren Drang zu malen.

Künstlergespräch mit Ingo Nussbaumer Teil 1

Mit:
Ingo Nussbaumer . Nina Gospodin
Aufgenommen am 08.05.2016 | Zuerst publiziert am 04.08.2016 auf www.dusagst.es

Im Folgenden findest du meine Lieblingspassagen aus dem Gespräch. Die Transkription wurde zum Teil gekürzt und zusammengefasst, um die Lesbarkeit zu verbessern.

Nina Gospodin | Setting Landatelier

Ingo ist Künstler und wird sich gleich selber noch mal vorstellen, bevor wir einsteigen ins Gespräch. Wir sind in der Nähe von Wien im Weinviertel, also Weinanbaugebiet, auf dem Landatelier von ihm. Und das sieht so aus, wie ich mir das vorstelle, wenn man so 

einen Künstler auf dem Land besucht mit einem großen Arbeitsraum und einem großem Garten und allerlei Gewächsen und Nischen und Terrassen, wo man alles Mögliche entdecken kann. Wir sitzen jetzt draußen, weil drinnen sind die Räume so groß, dass es immer hallt

und jetzt sitzen wir vor der Tür, unter einem Sonnenschirm und uns gegenüber, also unten knabbert der Hund Franz am Knochen und ein Pferd steht auf der Wiese nebenan.

Ingo Nussbaumer | Weggabeln zur Malerei

Mir hat das gefallen, was du vorher gesagt hast, die Gabelungen. Wann man etwas begonnen hat und wie man diese Richtung eingeschlagen hat? Soll ich mich vielleicht trotzdem vorher noch kurz vorstellen? Also mein Name ist Ingo Nussbaumer. Ich bin Maler und Farbforscher, Wissenschaftler auch ein bisschen im gewissen Grad, habe Philosophie und Malerei studiert.

Mein Spezialgebiet ist sicher eindeutig die Farbe, sowohl in praktischer wie auch theoretischer Hinsicht. Wenn man es jetzt von der wissenschaftlichen Seite angeht, geht auf mich sozusagen die Entdeckung der unordentlichen Spektren zurück. Das kann ich dann auch später noch näher erklären. Aber natürlich, als Maler hat man soundso mit Farbe zu tun und das ist eigentlich das Hauptfeld, in dem ich mich bewege und ich werde dann im Laufe der Zeit auch darauf gerne noch zurückkommen.

Fangen wir jetzt an mit der Kindheit. Ich leg mal richtig los. Ich nenne meine Biografie gerne Baustelle. Baustelle deshalb, weil im Grunde genommen das ganze Leben eine Baustelle ist und sich allmählich daraus ein Gebäude bilden sollte. Das beginnt sich jetzt allmählich ein bisschen zu sortieren und zu konkretisieren, aber im Grunde genommen sind es die vielen einzelnen Stationen. Zunächst beginnt es eher mit einer 

undurchsichtigen Welt. Ich wusste ja relativ früh, was ich wollte, also mit 14, 15 wusste ich, dass ich Maler werden wollte. Insofern hatte ich jetzt diesbezüglich keine Probleme, mich zu orientieren.

Aber ich möchte trotzdem eine Geschichte aus meiner Kindheit erzählen, die fällt mir gelegentlich ein, weil sie doch etwas Charakteristisches schildert. Ich bekam nämlich Werkzeuge von meinem Vater geschenkt. Kleine Zangen, kleine Hammer und verschiedene andere Dinge, die man sozusagen als Kinderspielzeug eher betrachtet. Und meine größte Freude war es, diese Werkzeuge in einem kleinen Kästchen, das ich mir extra so zurechtgebastelt habe, auszustellen. Das heißt, es war gar nicht so im Vordergrund, mit diesen Werkzeugen etwas zu machen, sondern der Schwerpunkt war darin, wie ich sie arrangierte in diesem Kästchen. Für mich war das die erste Ausstellung, die ich gemacht hab. Das da die Zange hing, da ein Hammer hing, dort eine zweite Zange hing, die ein bisschen anders aussah, dann die Nägel herumlagen, die auch in einer Schachtel dann extra sozusagen an der Wand hingen. Mein Vater fragte mich immer: „Ja, was willst du denn damit anfangen? Jetzt mach doch was damit.“ Und ich sag, mir gefällt das so, wie das so da hängt. Ja also, das heißt, die Lust an dem Schauen oder an dem Arrangement war scheinbar schon in meiner frühen 

Kindheit stark ausgeprägt und genügte mir bis zu einem gewissen Grad. Ich musste diese Werkzeuge nicht extra noch bewegen und mit ihnen herumhämmern, sondern es war das Schönste für mich, diese Dinge anzuschauen und wieder ein bisschen umzuhängen, um zu sehen, ob das wohl passte und so weiter. Da war ich so zwischen vier und fünf, schätze ich mal. Ich würde sagen, da begann meine Malerlaufbahn, weil im Grunde genommen ist es eine Art von Stillleben mit Werkzeugen. Unverständlich für die meisten aus meiner Umgebung, aber höchst interessiert für meine Augen und absolut spannend, wie sich etwas arrangiert. Diese Geschichte erzähl ich manchmal ganz gerne, weil sie doch irgendwie zeigt, dass es da einen Unterschied zwischen der Zweckdienlichkeit von manchen Dingen gibt und der alleinigen Freude, Dinge anzusehen und das, denke ich, ist doch schon ein charakteristisches Merkmal für die bildende Kunst oder für die Kunst überhaupt, dass es sozusagen noch mal um eine andere Kategorie gibt als die bloße Zweckdienlichkeit, dass es nicht ausgerichtet sein muss auf ein bestimmtes Ziel, das einen bestimmten Zweck erfüllt, sondern dass es hier sozusagen um einen anderen Zweck geht, den man den „ästhetischen Zweck“ vielleicht nennen könnte. So begann meine künstlerische Laufbahn, sag ich jetzt mal so.

Nina Gospodin | Du hast gesagt: »Ja, ich wusste dann eh, ich will Maler werden«. War das so?

Ingo Nussbaumer | Auf der Spur der Farbform

Das ist vielleicht auch noch ein wichtiges Erlebnis, ein persönliches, sehr wichtiges Erlebnis. Ich fuhr ja mit meinen Eltern immer wieder mal auf Urlaub, meistens nach Italien. Jesolo wurde sehr oft angesteuert. Wie ich so 14, 15 war fuhren wir nach Grado. Und ich hatte damals das Glück, auch ein eigenes Zimmer zu bekommen im Hotel und hatte eben das Glück, ganz oben zu wohnen, in einem sehr netten Zimmer und eine Dachterrasse zur Verfügung zu haben. Das war natürlich fantastisch. Ich konnte mich in der Nacht da herauslegen auf einen Liegestuhl, mir die Sterne anschauen, hatte einen wunderbaren Blick auf das Meer und ich habe dann immer wieder auch gezeichnet und gemalt. Ich hatte immer einen Malkasten dabei. Ich

hatte damals so eine Phase, wo ich sehr viel Landschaft malte, Landschaftsimpressionen, Landschaftsstimmungen. Und was für mich, glaube ich, entscheidend war: eines Tages während des Urlaubs, hatte ich einen besonderen Drang, bestimmte Formen zu malen. Und es fiel mir auf, dass eigentlich über Farbe sich Form gestaltet und über Form sich Farbe sozusagen zum Ausdruck bringt. Das war für mich damals sehr neu.

Ich nannte damals „die Farbform“. Es war verbunden mit einem inneren Drang. Das war nicht nur was Ausgedachtes, sondern, ich würde sagen, das war einfach ein Bedürfnis, das sich da Luft oder Ausdruck verschaffte und da kam ich eben zu ganz

eigenen Formen und entdeckte eben, dass Farbe und Form eine Einheit bilden oder einen Komplex darstellen können. Und das, glaube ich, hat mich mein ganzes Leben lang eigentlich beschäftigt.

Und ich bin immer wieder auf der Suche nach dieser Farbform. Natürlich bin ich auf anderen Ebenen jetzt gelandet, klarerweise, aber das erste Erlebnis, was für mich dann auch tatsächlich ausschlaggebend war, zu sagen: Ich bin Maler und ich werde Malerei studieren, ich werde den Weg der Malerei gehen, das war so ums 15. Lebensjahr, glaube ich.

Nina Gospodin | Der Drang »Was will ich eigentlich?«

Irre! Ich wusste ganz lange, was ich nicht will. Für mich war das erstmal so ein Weg, zu dem „was will ich eigentlich“ hinzukommen. Das finde ich irgendwie interessant, weil ich habe schon das Gefühl, also,

Fragestellungen, die sich mir immer wieder aufdrängen, weil du meintest einen Drang, reichen oft bei mir auch sehr weit zurück. Nur ich habe, glaube ich, zwischendurch einfach gedacht, ja, vielleicht ist es nicht

so wichtig oder vielleicht ist es nicht angesagt gerade oder vielleicht hat es keinen Platz irgendwie im Leben oder so was. Also ich habe da einfach lange gebraucht, muss ich sagen.

Ingo Nussbaumer

Aber das ist schön. Der Drang ist, glaube ich, in der Jugend etwas ganz Entscheidendes, weil es ist sozusagen etwas, das aus dem Inneren heraus entsteht und nicht von außen sozusagen dir aufgepfropft wird oder wo du hinorientiert wirst, sondern was aus dir kommt.

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